Mit zwei Utopia Silbermöwen von Holtkamp zum Nordkap

Ein Bericht von Peter Seidel.

Foto: Peter Seidel

Mit der Beendigung meines aktiven Dienstes bei der Stadtverwaltung Rhede zum 1. Januar 2003 war der Zeitpunkt gekommen, meinen Traum, mit dem Fahrrad zum Nordkap zu fahren, in die Realität umzusetzen.

Zuvor hatte ich bereits die geplante Fahrtroute ausgearbeitet. Der Weg sollte zunächst ostwärts über Polen, Litauen und Lettland führen, um dann nordwärts den direkten Weg über Estland, Finnland, Schweden und Norwegen zum Nordkap fortzusetzen. Der Rückweg war geplant über Hammerfest, Alta, und die Lofoten, von da zurück aufs norwegische Festland. Über Bodoe entlang der norwegischen Küste ging der Weg weiter bis Trondheim. Ab Trondheim ging es südwärts über Lillehammer nach Oslo. Weiter führte der Weg durch Schweden über Göteborg und Helsingborg. Danach sollte ein Kurzbesuch in Dänemark stattfinden über Kopenhagen und Köge. Über den Störströmsund und den Fehmarnsund sollte es nach Deutschland zurückgehen. Hier verlief der Weg über die Insel Fehmarn, dann die holsteinische Schweiz, Hamburg, Bremen zurück nach Rhede.
Für diese Route war eine Wegstrecke von rund 8.000 km errechnet worden.
Mit diesem Plan machte ich mir Gedanken über die organisatorische Umsetzung. Bei der Suche nach geeigneten Mitstreitern wurde ich schnell im Familien- und Freundeskreis fündig. Mein Bruder Jochen war motiviert und als Rentner konnte er sich die Zeit für die Reise einteilen. Als begeisterter Radfahrer gab er spontan seine Zusage. Zwei Freunde waren bereit, uns auf dem Weg durch Polen, die baltischen Staaten sowie Norwegen, Schweden und Finnland bis zum Nordkap mit dem Wohnmobil zu begleiten. Dies hatte den Vorteil, dass wir die Hinfahrt recht komfortabel ohne Gepäck und Quartiersuche gestalten konnten.

Foto: Peter Seidel

Dann kam für uns zwei Radfahrer der wichtigste Teil, nämlich die Suche nach einem geeigneten Fahrrad. Es gibt eine Vielzahl von Trekking-Räder-Fabrikaten, die es uns schwer machte, die richtige Auswahl zu treffen. Auch die Beratung bei den aufgesuchten Fachhändlern war recht unterschiedlich. Letztendlich fühlten wir uns bei dem Fachhändler Holtkamp in Rhede in besten Händen und kamen recht schnell durch dessen fachliche, kompetente Beratung zur Entscheidung über den Kauf eines geeigneten Fahrrades. Mit Blick auf die nicht einkalkulierbaren Straßen- und Wegeverhältnisse in Polen und den baltischen Staaten sollte das Fahrrad schon einige Strapazen aushalten können. Zudem kam für die Rückfahrt die Belastung mit Gepäck dazu.
Unsere Entscheidung fiel auf die “Silbermöwe von Utopia”. Ausgestattet wurde sie mit Federgabel im Frontbereich. Die Sattelstütze war ebenfalls gefedert. Unterschiedlich war jedoch der Antrieb. Während mein Bruder Jochen eine Kettenschaltung vorzog, entschied ich mich für die 14-Gang Nabenschaltung von Rohloff. Als Bremsen suchten wir die hydraulischen Bremsen von Magura aus. Für die Bereifung wurde uns das Fabrikat Schwalbe Marathon empfohlen.
Nach mehreren Trainingskilometern, die ohne erkennbare technische Probleme verliefen, waren wir recht zufrieden mit den Fahreigenschaften der Silbermöwen von Utopia. Nach einer letzten kostenlosen Erstinspektion konnten wir uns nun auf das Abenteuer Nordkap begeben.

Am 4. Juni 2003 löste sich die Spannung auf. Das Abenteuer und die Radfahrt begannen erwartungsfroh bei herrlichem Sommerwetter. Schnell hatten wir uns an die Tagesleistung von ca. 150 km gewöhnt. Auch das Gesäß hatte sich relativ schnell mit dem Sattel angefreundet. Leichte Druckstellen wurden mit dem bewährten Hirschtalg behandelt. Zudem konnten wir uns an den fahrfreien Tagen, an denen wir die Städte Danzig, Willna, Riga, Tallin und Helsinki besichtigten, recht gut von des “Radfahrstrapazen” erholen.
Bereits auf dem ersten Teilabschnitt, insbesondere durch die neuen Bundesländer, Polen und die baltischen Staaten musste sich das Fahrrad bewähren. Vielfach führte der Weg über Kopfsteinpflaster und geschotterte Pisten. Des Weiteren waren die Asphaltstraßen oft recht uneben und teilweise mit Schlaglöchern und Flickstellen übersät. Hier haben sich die gefederten Teile wie Gabel und Sattelstütze bestens bewährt. Auch die Bereifung hat diese Belastungen ohne Schaden überstanden. Lediglich die Lagerung einer Pedale hielt den gesteigerten Anforderungen nicht stand und gab nach 200 km ihren Geist auf.

Foto: Peter Seidel

Ab Helsinki gab es keine Probleme mehr mit den Straßenbelägen. Auf der von uns ausgewählten Strecke waren die Straßen, auch Nebenstrecken, tadellos asphaltiert. Das Gelände allerdings forderte unsere Kondition doch erheblich. Viele Steigungen mit unterschiedlichen Längen und Prozenten ließen uns abends müde am Ziel ankommen. In diesem Gelände hat sich besonders die Nabenschaltung von Rohloff als sehr komfortabel herausgestellt. Die Abstufung der einzelnen Gänge ist hervorragend. Die Schaltvorgänge lassen sich problemlos handhaben. Bei den teilweise rasenden Abfahrten war es wichtig, dass wir uns auf gute Bremsen verlassen konnten. Die Öldruckbremsen von Magura waren jederzeit, auch bei Nässe, griffig und dosiert zu bedienen. Auch der Rahmen und die Spur blieben bei Abfahrten von über 60 km/h stabil und kamen nicht ins Flattern.

Ohne technische Probleme erreichten wir so nach rd. 4.100 km das Nordkap. Bei der Fahrt zum Kapp regnete es und die Temperatur lag knapp über dem Nullpunkt, also typisches Nordkapwetter. Während wir tagsüber wegen der Mitternachtssonnenzeit kein Licht benötigten, so mussten wir bei der Tunneldurchfahrt zum Nordkap, 6,9 km Länge, unsere Lichtanlage einschalten. Das Nabendynamo und die Halogenbeleuchtung ergaben ausreichend Licht, so dass wir gefahrlos den Tunnel durchfuhren.
Am Nordkap hatten wir nach anfänglichem Regen und Nebel Glück. Etwa eine Stunde nach Ankunft rissen die Wolken auf, die Sonne schien und wir hatten klare Sicht auf den Nordatlantik.

Nach einem Tag Aufenthalt am Nordkap rüsteten wir uns für die Rückfahrt, nun unter erschwerten Bedingungen. Das Fahrrad wurde mit dem erforderlichen Gepäck für etwa fünf Wochen bestückt. Trotz der Reduzierung auf das notwendigste kam noch ein Gewicht von ca. 35 kg zusammen. Verstaut wurden die Utensilien in wasserdichten Fronttaschen- und dem Travel-Set von Ortlieb. Auch hier hatten wir nach Beratung einen guten Griff getan. Die Taschen sind praktisch zu handhaben und bei Regen wirklich dicht.
Gegenüber der Hinfahrt ohne Gepäck mussten wir nun unsere km-Tagesleistung und auch die Geschwindigkeit reduzieren. Hinzu kam, dass wir uns nun selbst verpflegen mussten und somit auch Zeit für die notwendigen Einkäufe zu berücksichtigen war.
Für die zusätzlichen Belastungen wurden wir allerdings durch gutes Radfahrwetter und vor allem die hervorragende Fjordlandschaft Norwegens reichlich entschädigt. Nach ein paar Tagen hatten wir uns zudem an die erschwerten Bedingungen gewöhnt, so dass wir die Freiheit der dünn besiedelten Landschaft voll genießen konnten.

Interessant für Radfahrer ist auch das “Inselspringen”. Viele Meereseinschnitte sind mit Brücken überspannt, auch Inseln sind teilweise durch Brücken verbunden. Für längere Abstände bestehen Fährverbindungen. So kann man sich zwischen den anstrengenden welligen Küstenstraßen entlang der Fjorde immer wieder einmal auf der Fähre ausruhen.
Weiter ist anzumerken, dass der Radfahrer viel Zeit hat, sich mit Blick ins Gelände nach seltenen oder scheuen Tieren umzusehen. Während Rentiere häufig zu sehen sind, muss man schon Glück haben, hin und wieder, oder wenn überhaupt, Elche zu sehen. Wir hatten das Glück, an verschiedenen Tagen mehrere Elche beobachten zu können. Auf den Lofoten sahen wir einen mächtigen Seeadler.
Je weiter wir nach Süden kamen, um so mehr nahm die Besiedlung zu. Die Ansiedlungen wurden größer und die Tierwelt seltener. Die Besichtigung der Städte Trondheim, Lillehammer, Oslo, Göteborg, Helsingborg, und Kopenhagen ließen wir uns nicht entgehen. Anzumerken ist hier, dass die vorgenannten Städte über ein hervorragendes Radwegenetz verfügen. In den Außenbereichen läßt die Radwegeführung eher zu wünschen übrig.
Die letzte Wegestrecke erfolgte bei großer Hitze. Auch mussten wir uns durch die Ballungsräume Hamburg und Bremen durchfinden. Schließlich erreichten wir vom Nordkap nach rund 4.300 km wieder unsere Heimatstadt Rhede.
Insgesamt waren wir zehn Wochen und einen Tag unterwegs. In dieser Zeit legten wir an 65 Fahr-Tagen eine Strecke von 8.400 km zurück. Technische Schwierigkeiten sowie Reifenpannen gab es mit den Fahrrädern nicht.


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